Meisterschülerinnen und Meisterschüler lernen die traditionsträchtige Schnürung für ihre praktische Prüfung.

© Julia Stier

Tradition trifft Prüfung

Die Handwerkskunst der klassischen Polsterung feiert ein Comeback. Noch mehr sogar: Erstmals ist die aufwendige Schnürtechnik Teil der Meisterprüfung im Raumausstatterhandwerk.

erstellt am 28. April 2025

Oldenburg. Im aktuellen Meisterkurs der Handwerkskammer Oldenburg steht ein selten gewordener Klassiker im Mittelpunkt: das Schnüren von Polstermöbeln. Die Technik, bei der Federn per Hand in Form gebracht und fixiert werden, wurde 2025 erstmals in die Meisterprüfung integriert – ein Schritt, der in der Branche für kontroverse Diskussionen sorgte.

Seit Januar bereitet sich eine engagierte Gruppe von zehn Meisterschülerinnen und Meisterschülern über fünfeinhalb Monate hinweg auf die Prüfungen vor. Höhepunkt des Kurses ist der Schautag am 21. Juni, bei dem die Teilnehmenden ihre Konzepte in kreativ gestalteten Schauboxen präsentieren.

Handwerk mit Haltung: Klassische Polsterung als Prüfungsdisziplin

Im Fokus der Unterrichtseinheit steht das Herstellen eines Hochpolsters mit Sitz-, Rücken- und Armlehnen unter Anwendung klassischer und moderner Methoden. Die sogenannte Schnürtechnik, jahrzehntelang nur noch vereinzelt im Einsatz, erlebt damit eine Renaissance – zumindest im Rahmen der Ausbildung.

Steffen Mietzner, selbstständiger Raumausstattermeister und Dozent im Meisterkurs, vermittelt den Teilnehmenden die unterschiedlichen Schnürarten: „Es gibt nicht die eine richtige Technik – sie ist oft regionsabhängig und muss zum Möbelstück passen“, erklärt er. Beispielsweise wird bei der deutschen Schnürung diagonal gearbeitet und achtmal gefasst, was für besonders hohe Stabilität sorgt. Die französische Variante verläuft hingegen parallel, wird viermal gefasst und ist etwas weicher. Beide Techniken können in der Meisterausbildung zum Einsatz kommen.

Vom Übungsobjekt zum Meisterstück

Im ersten Durchgang arbeiten die Schülerinnen und Schüler an einem Übungsobjekt. Anschließend geht es an die Umsetzung am eigentlichen Prüfungssessel. Die reine Schnürarbeit dauert rund zweieinhalb Stunden, die Fertigstellung des gesamten Sessels erfolgt innerhalb einer Kurswoche mit 16 bis 20 Stunden Bearbeitungszeit.

Verwendet werden dafür unter anderem Taillenfedern für Sitz- und Rückenflächen. Unterschiedliche Fäden – etwa Stell-, Knot- und Retourfäden – dienen der Justierung, Festigkeit und Stabilität. Auf die Schnürung folgen die

klassischen Arbeitsschritte mit Afrikfasern zur Façonbildung, Pikierung mit Kokos- oder Rosshaar sowie das Aufbringen von Weißpolster und Dekorationsstoff – oder alternativ mit modernen Materialien wie Schaumstoff und Watte.

Vielfältige Inhalte im Meisterkurs

Neben der Polsterung umfasst der Meisterkurs weitere Schwerpunkte wie Licht-, Sicht- und Sonnenschutz, Akustik sowie Raumklimagestaltung. Unterstützt von erfahrenen Dozentinnen und Dozenten erarbeiten sich die Teilnehmenden fundiertes Wissen und praktische Fähigkeiten, um als zukünftige Meisterinnen und Meister anspruchsvolle Kundenwünsche zu erfüllen – mit handwerklicher Präzision, Kreativität und einem Gespür für Qualität.

Der Kurs endet am 20. Juni – mit der Aussicht auf eine erfolgreiche Prüfung und auf viele neue Impulse für ein Handwerk zwischen Tradition und Zukunft.

Ein kurzes Reel auf der Instagram- und Facebookseite der Kammer gibt Einblicke in die Arbeit der aktuellen Meisterschülerinnen und Meisterschüler. Interessierte erhalten dort einen ersten Eindruck vom Kursgeschehen und den vielfältigen gestalterischen Prozessen. Für den kommenden Meisterkurs, der vom 2. März bis 19. September 2026 stattfindet, sind noch Plätze frei.