Fingerspitzengefühl ist nicht nur in der Landespolitik wichtig, sondern auch bei der Ansatzfärbung: Ministerpräsident Stephan Weil bei seinem „Praktikum“ im Salon Bremer.
Foto: Kreishandwerkerschaft Oldenburg

Tausch: Jackett gegen Schürze

Ministerpräsident Stephan Weil hört sich Herausforderungen des Friseurhandwerks an. Dabei greift der Politiker auch zur Haarschneidemaschine.

Wer von sich behauptet, vom amtierenden Ministerpräsidenten frisiert worden zu sein, sollte sich auf Unglaube und kritische Blicke in Richtung Haaransatz gefasst machen. Dass „Landesvater“ Stephan Weil aber durchaus das Potenzial für eine handwerkliche Ausbildung zum Friseur gehabt hätte, durfte der Ministerpräsident im Wardenburger Salon Bremer bei einem „Praktikum“ unter Beweis stellen. Nach fachkundiger Einweisung fragt der Regierungschef mit der Haarschneidemaschine in der Hand dennoch seinen Kunden: „Haben Sie sich das gut überlegt?“

Ganze vier Stunden hat sich Stephan Weil Zeit genommen, um im Landkreis Oldenburg so viel wie möglich vom Friseurberuf zu erfahren. Betriebsinhaber Oliver Bremer, der auch Obermeister der Friseur-Innung Oldenburg ist, freut sich über die Unterstützung: „Ich sehe den heutigen Besuch vor allem als eine Wertschätzung für unsere gesamte Branche. Das gibt mir und hoffentlich auch all meinen Berufskolleginnen und Berufskollegen das Gefühl, dass wir gehört werden.“

Offenes Ohr für Probleme der Branche

Bevor der Vorsitzende der SPD Niedersachsen sein Jackett gegen eine Schürze tauscht, geht es im Begrüßungsgespräch um die aktuellen Herausforderungen von Bremers Handwerk. Was dem Obermeister vor allem Sorgen bereitet, ist die Kleinunternehmerregelung, die insbesondere in der Friseurbranche gerne durch Schwarzarbeit missbraucht werden würde. „Die aktuelle Umsatzgrenze von 22.000 Euro jährlich, unter der keine Mehrwertsteuer abgeführt werden muss, wird leider oft auf illegalen Wegen eingehalten, weil sich Mehreinnahmen und die dadurch anfallenden Steuerabzüge erst ab einem deutlich höheren Betrag ausgleichen. In Deutschland liegen nur 62 Prozent der Friseurbetriebe über der Umsatzgrenze – da kann etwas nicht stimmen“, erklärt Bremer.

Einen Lösungsansatz stellt der Obermeister dem Ministerpräsidenten ebenfalls vor: „Entweder es muss stärker durchgegriffen werden und offensichtlichen Warnsignalen wie angebotenen Haarschnitten für 13 Euro wird systematisch mit Steuerprüfungen nachgegangen oder wir schaffen gleiches Recht für alle und machen die ersten 22.000 Euro Jahresumsatz auch für diejenigen steuerfrei, die mehr erwirtschaften.“

Der Praktikant passt gut ins Team

Solche Vorschläge aus der Praxis zu bekommen, liegt dem Ministerpräsidenten am Herzen. In der Vergangenheit hat er sich bereits in anderen Berufsfeldern ausprobiert. Im Salon Bremer kommt es vor allem auf die Feinmotorik an - und die Resultate können sich sehen lassen. Als Stephan Weil zum Ende des Besuchs das Betriebsklima als „ausgezeichnet“ lobt, entgegnet Oliver Bremer: „Darauf bin ich auch mächtig stolz.“ Der Geschäftsführer gibt auch ein Kompliment an den Ministerpräsidenten zurück: „Ich denke, Sie würden auch ganz gut ins Team passen.“