
BFE-Direktor Thorsten Janßen (am Mikrofon) forderte, Führung als Thema verstärkt in die Rahmenlehrpläne aufzunehmen. Im Hintergrund sind (weiter von links) Familienunternehmer Henk Voigt, Moderator Jan-Bastian Buck und NWZ-Chefredakteur Ulrich Schönborn zu sehen.
© Thorsten Ritzmann
Verantwortung übernehmen
Teilnehmer der Oldenburger Schlüsselgespräche kritisieren Absicherungskultur und fordern Mut zur intuitiven Entscheidung. Eingeladen hatte das BFE in Oldenburg.
Zur eigenen Entscheidung stehen und eine positive Fehlerkultur etablieren – das könnte der Weg sein, um eine zunehmend defensive Führungskultur zu überwinden. Diese Erkenntnis stand im Mittelpunkt der diesjährigen Oldenburger Schlüsselgespräche, die unter dem Titel „Führen – Ist die Zeit des Konsens-Kuschelns vorbei?“ vom Bundestechnologiezentrum für Elektro- und Informationstechnik (BFE) ausgerichtet wurden.
Bloß nicht auffallen, bloß nichts falsch machen
Hauptredner Prof. Gerd Gigerenzer, langjähriger Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, kritisierte per Online-Vortrag den Wandel von einer Leistungs- zu einer Begründungskultur. „Wir leben in einer Welt, in der wir immer mehr defensiv entscheiden“, sagte er.
Entscheidungen würden oft intuitiv getroffen, und daran sei nichts falsch. Doch anstatt diese Entscheidungen geradlinig umzusetzen, würden Führungskräfte häufig aus Angst vor Verantwortung Umwege einschlagen. Typisch sei eine nachträgliche Suche nach belegbaren Gründen, was Zeit und Geld koste – insbesondere, wenn Beratungsunternehmen beauftragt würden, die aufwendige Präsentationen erarbeiteten.
Familienunternehmen als Vorbild
Insbesondere Behörden und große Konzerne nahm Gigerenzer ins Visier seiner Kritik. Familienunternehmen würden viel seltener defensiv entscheiden. Als möglichen Grund nannte der mehrfach ausgezeichnete Denker einen höheren Grad an Identifikation. „Das Handwerk ist der gesündere Teil der Unternehmen in Deutschland. Große Unternehmen sollten sich Familienunternehmen zum Vorbild nehmen“, so Gigerenzer.
Er warnte zudem vor einem neuen Tech-Paternalismus. In einem sicheren, berechenbaren Umfeld wie einem Schachspiel funktioniere Künstliche Intelligenz (KI) gut. „In instabilen Welten sind von KI getroffene Entscheidungen überhaupt nicht besser als die menschliche Intuition“, betonte er. Intuition sei keine Willkür, sondern eine starke, unbewusste Intelligenz, die Albert Einstein als „Geschenk“ bezeichnet habe.
Führen ist lernbar
Im zweiten Teil der Veranstaltung brachte der ehemalige CeWe-Personalvorstand und Unternehmerberater Michael Wefers Praxisnähe in die Debatte. „Methodenkompetenz ist lernbar“, sagte Wefers und diskutierte mit den Gästen Tipps und Anregungen zu klaren Strukturen, Team-Motivation und Selbsterkenntnis. „Es gibt viele Führungsstile, und keiner ist besser als der andere. Aber: Man sollte seinen eigenen Führungsstil kennen“, so Wefers. Die Persönlichkeit sei ab einem Alter von 20 Jahren nicht mehr veränderbar, das Verhalten hingegen schon.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Wefers, NWZ-Chefredakteur Ulrich Schönborn, Jungunternehmer Svend Böttjer, Familienunternehmer Henk Voigt und dem Publikum wurde lebhaft über Führungskultur debattiert. Schönborn betonte: „Ja, wir haben ein Problem mit Verantwortung.“ Voigt ergänzte: „Führungsqualität heißt, auch mal Nein zu sagen und Mitarbeitende zum Denken anzuregen.“
Insbesondere für Neueinsteiger wäre es hilfreich, Führung stärker in der Ausbildung zu vermitteln, merkte Böttjer an. „Wir bilden Meister aus, aber keine Unternehmer. Dies ist in der Prüfungsordnung nicht vorgesehen. Aber in dieses Vakuum müssen wir rein“, stimmte ihm BFE-Direktor Thorsten Janßen zu.
Bürokratie zerstört Zeitmanagement
Das Publikum, bestehend aus Fördermitgliedern des BFE, Vertretern der Handwerksinnungen und geladenen Gästen, beteiligte sich rege. Ein Unternehmer aus dem Publikum warf ein, dass Wertschätzung und Lob im Handwerk zentral seien, um Mitarbeitende zu motivieren. Zum Abschluss fasste Dieter Meyer, Vorstandsvorsitzender des BFE, die Erkenntnisse zusammen: „Führung ist die Kunst, jemanden dazu zu bringen, etwas zu tun, weil er es will. Ein Macher sieht Ziele, wo andere Probleme sehen.“ Zeitlose Führung bedeute Selbstführung, klare Visionen und die Fähigkeit, Menschen mitzunehmen – ohne Angst vor Fehlern.