Die langwierige Entwicklungszeit hat sich für Frerk Sander und Lukas Bartsch (v.l .) von der Stadt-Fleischerei Bartsch gelohnt – ihr vegetarischer Fleischsalat entpuppt sich als Kassenschlager.
© Fleischer-Innung Oldenburg

Für Philip Meerpohl von der Spezialitätenfleischerei Meerpohl war von Anfang an klar, dass der Geschmack auch bei den vegetarischen und veganen Produkten an erster Stelle steht.
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 Veggie-Trend – „Wir Fleischer erfinden uns neu, anstatt zu resignieren“

Der Fleischkonsum der deutschen Bevölkerung ist rückläufig. Laut Fleischer-Innung Oldenburg sinkt der Durchschnittsverbrauch jedes Jahr um etwa drei Prozent pro Kopf. Oldenburg bilde da keine Ausnahme: „Wir denken, jeder in der Branche merkt das. Fleischlose Wurstalternativen füllen im Supermarkt ganze Regale und Personen, die auf Fleisch verzichten, sind keine Seltenheit mehr“, fassen Lukas Bartsch und Frerk Sander von der Stadt-Fleischerei Bartsch die Marktsituation zusammen.

Die Eigenentwicklung fleischloser Alternativen mit regionalen Zutaten folgte auf einen Denkanstoß, berichtet Innungskollege Philip Meerpohl von der Meerpohl Spezialitätenfleischerei: „Bis vor wenigen Jahren haben Kunden unseren Laden verlassen und hatten alles, was sie brauchten. Uns ist aufgefallen, dass dem nicht mehr so ist. Menschen sollen wieder – unabhängig von ihrer Ernährungsweise – bei uns das finden können, was ihnen und ihrer Familie schmeckt.“

Fleisch oder kein Fleisch – Geschmack muss stimmen

Angefangen habe alles mit vegetarischen Grillspießen, Burgerpatties und Grillkäse. Weil die Kunden die neue Auswahl in der Auslage sehr begrüßten, kamen nach und nach weitere Produkte hinzu. Der Geschmack steht für Philip Meerpohl dabei immer im Vordergrund. „Es ist egal, ob ich Fleisch verarbeite oder nicht – wenn ein Produkt nicht schmeckt, ist es zum Scheitern verurteilt. An zweiter Stelle stehen für uns die Zutaten. Wir achten – wie auch beim Fleisch – darauf regional oder zumindest national beziehbare hochwertige Rohstoffe wie Grünkern und Dinkel zu verwenden.“

Wie nah muss eine Fleischalternative an echtem Fleisch sein?

Die vegetarische Bratwurst der Firma Meerpohl ähnelt optisch eher einem Cevapcici. „Das ist auch gut so“, lacht Philip Meerpohl. „Ich bin der Meinung, dass eine Fleischalternative nicht immer aussehen muss wie echtes Fleisch. Wenn es gelingt ist das gut, aber irgendwo muss man die Kirche im Dorf lassen. Oft kommen dafür nämlich Zusatzstoffe zum Einsatz.“

Die Stadt-Fleischerei Bartsch setzt mit ihrem vegetarischen Fleischsalat hingegen eher auf Imitation: Das komplett selbst entwickelte Produkt kann inzwischen sogar in vielen regionalen Filialen bekannter Lebensmitteleinzelhandelsketten erworben werden. Dafür waren aber viel Arbeit, Zeit, Geld und Frust nötig, erinnert sich Lukas Bartsch: „Bis zum fertigen Veggie-Fleischsalat hat es ein halbes Jahr gedauert.“ Sein Cousin Frerk Sander ergänzt: „Wir haben viele Anläufe gebraucht und mussten sogar Maschinen umbauen lassen. Für die fleischige Konsistenz ist bei einem Arbeitsschritt ein Vakuum nötig. Das sind alles Dinge, die wir erstmal lernen mussten. Jetzt haben wir aber das nötige Basiswissen und gehen demnächst eine vegetarische Bratwurst an.“

Angestellte stehen hinter der Idee

Die Herstellung der Fleischalternativen ist aus lebensmittelhygienischer Sicht für die beiden Innungsbetriebe kein Problem: „Wir verarbeiten ja ohnehin Fleisch von unterschiedlichen Tieren, wofür gründliche Zwischenreinigungen der Maschinen unerlässlich sind. Klingt komisch, aber für uns als Fleischer machen die vegetarischen und veganen Produkte an dieser Stelle keine Mehrarbeit. Allergenmanagement können wir eh“, erklärt Frerk Sander.

Dass viele Fertigungsprozesse nur geringfügig angepasst werden mussten, kommt dem Vorhaben auch an anderer Stelle zu Gute: Die Belegschaft beider Betriebe zieht beim Thema fleischlose Produkte voll mit.

Zwischen wachsendem Absatz und Missgunst im Internet

„Unser vegetarischer Fleischsalat entwickelt sich zu einem echten Kassenschlager“ berichtet Lukas Bartsch stolz. Auch Philip Meerpohl von der Spezialitätenfleischerei ist mit der wirtschaftlichen Entwicklung sehr zufrieden: „Die Nachfrage steigt wöchentlich. Auch im Cateringbereich wird fleischfrei immer beliebter. Für uns hat sich dieser Schritt definitiv gelohnt.“

Der Meinung ist allerdings nicht jeder. In der Kommentarspalte eines Facebook-Beitrags über die beiden Fleischereien von einer lokalen Zeitung werden auch kritische Stimmen laut.

Traditioneller Fleischerberuf wird nicht aussterben

Bei allen Innovationsbestreben betont Philip Meerpohl auch die Wichtigkeit des traditionellen Handwerks: „Fleisch ist ein gutes Produkt. Alle gesellschaftlichen Nachhaltigkeitsbestrebungen führen auch dazu, dass beim Fleischkauf immer genauer hingeschaut wird. Das finde ich absolut begrüßenswert. Das traditionelle Fleischerhandwerk wird es auch weiterhin geben und das ist gut so. Ich habe großen Respekt vor allen meinen Berufskollegen.“

Einen kleinen Wunsch hat der junge Fleischer allerdings noch: „Ich würde mir wünschen, dass die Herstellung vegetarischer und veganer Produkte auch in der Berufsschule stärker thematisiert wird. Ein guter Fleischer war schon immer auch ein guter Lebensmitteltechniker. Es ist höchste Zeit diesen Teil unseres Berufes stärker in den Vordergrund zu rücken. Wir Fleischer erfinden uns momentan ein Stück weit neu, anstatt zu resignieren.“