Nach dem Motto "Jeder Handwerker hat eine kreative Basis" werden "individuelle Gestalterpersönlichkeiten" ausgebildet.
© Sascha Schneider

Design- und Führungskompetenz im Handwerk

In Hannover gibt es den trialen Bachelor-Studiengang Craft Design. Dozentin Karina Michaelis erläutert im Interview die wichtigsten Dinge.

Karina Michaelis Dozentin am Studienzentrum Hannover Telefon 05722 28699732 karina.michaelis@diploma.de

Hörsaal oder Werkstatt? Im Handwerk muss man sich nicht für das eine oder andere entscheiden. Der triale Studiengang Craft Design B.A. bietet eine perfekte Kombination von Theorie und Praxis. Aber was bedeutet das konkret?

Im Interview mit Karina Michaelis, Dozentin im Studiengang Craft Design (B.A.) an der DIPLOMA Hochschule, erfahren Sie alles über den Ablauf, Inhalte, berufliche Perspektiven und vieles mehr.

Was ist der "triale Studiengang" Craft Design (B.A.)?

Karina Michaelis: Das Studium Craft Design (B.A.) wird in Kooperation mit der Handwerkskammer Hannover angeboten und besteht im Wesentlichen aus drei (trial = die Dreizahl) Grundbausteinen. Der erste Baustein ist die handwerkliche Ausbildung im Betrieb und in der Berufsschule. Diese wird in den meisten Fällen parallel zum Studium begonnen – kann aber auch schon abgeschlossen sein. Der zweite Baustein ist die Meisterqualifikation, die aus Teil 3 und 4 der Meisterprüfung bestehen und die im Studienablauf eingebunden sind. Die Teile 1 und 2 können noch während oder nach dem Studium absolviert werden. Natürlich können auch schon fertige Meister das Studium anstreben. Der dritte Baustein ist das Craft Design Studium (B.A.). Nach einer Regelstudienzeit von 4,5 Jahren (9 Semester) haben die Absolventen den Gesellenbrief, die Meisterqualifikation und zusätzlich den akademischen Grad Bachelor of Arts in der Tasche.

Was ist das Ziel des Studiengangs und welches "Credo" verfolgt dieser?

Michaelis: Der Studiengang vereint das fachliche Know-how des Handwerks mit der kreativen Denkweise und den gestalterischen Werkzeugen eines Designers. Das Ziel: Das Handwerk soll durch den Mehrwert des kreativen Handelns gestärkt und wieder gesellschaftlich forciert werden. Somit können neue und andersartige Projekte umgesetzt und zukunftsorientierte Artefakte angeboten werden. Unser Credo ist: Jeder Handwerker hat eine kreative Basis – wir bilden diese auf akademischer Ebene aus und entwickeln eine "individuelle Gestalterpersönlichkeit im Handwerk".

Wie sieht die Entwicklung des Handwerks aus und wo setzt hier das Craft Design Studium an …?

Michaelis: Die Auftragslage in den unterschiedlichen Gewerken des Handwerks ist sehr gut. Das hat jedoch einen negativen Beigeschmack – es gibt immer weniger Handwerker, da sich eine Vielzahl von potenziellen Auszubildenden eher für ein Studium entscheidet. Der Fachkräftemangel wird immer deutlicher und die Wartezeiten auf einen Termin bei speziellen Gewerken kann Monate dauern. Zudem stellt die Gesellschaft immer höhere Anforderungen an das Handwerk, da sie schnelle Produktionen und gestalterische Maßstäbe gewohnt ist. Das ist insbesondere in Betrieben sichtbar, die sich mit dem Thema Design auseinandersetzen müssen (zum Beispiel Tischler, Raumausstatter, Metallbauer). Hier setzt das Craft Design Studium an.

Welchen Mehrwert kann die begleitende akademische Gestaltungsausbildung bieten und in welchem Maß profitieren die Studierenden und zukünftige Unternehmen von dem Studiengang?

Michaelis: Fertig ausgebildete Craft Designer bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen Handwerk, Betriebsführung und Design. Sie sind befähigt einen Auftrag allumfassend zu durchdenken und umzusetzen. Die kreative Qualifizierung zeigt sich in allen Phasen der Schöpfung und Beratung - von der Ideenentwicklung, über Entwurf und Umsetzung bis hin zur Reflexion. Die Absolventen wissen, was "Design-Verantwortung" bedeutet und haben zudem eine individuelle gestalterische Position bezogen. Handwerkliche Unternehmen profieren im Wesentlichen von der zukunftsorientierten Arbeitsweise, die sich durch gezieltes Projektverständnis und einer fundierten Gestaltungskompetenz – in Planung und Umsetzung - offenbart.

Welche Inhalte und thematischen Schwerpunkte werden vermittelt und wie sehen Prüfungsleistungen aus?

Michaelis: Im Craft Design Studium (B.A.) werden die fachlichen Schwerpunkte in sogenannten Modulen unterrichtet. Diese Module starten mit maßgebenden Gestaltungsgrundlagen wie zum Beispiel Form und Farbe und spannen den Bogen über fachwissenschaftliche und technische Grundlagen wie Designgeschichte- und ethik sowie Digitale Entwurfsprozesse. Abrundend werden projektbezogene Produktentwürfe gelehrt und wie diese durch Markenkommunikation ein "Gesicht" bekommen. Fachübergreifende Inhalte wie Methodik werden parallel unterrichtet.

Die Prüfungsleistungen in den theoretischen sowie praktischen Fächern reichen von Klausuren und Portfolios, über Referate und Dokumentationen bis hin zu individuellen Projektarbeiten.

Wie können auch individuelle Kompetenzen gefördert werden und inwieweit kann die Interdisziplinarität aus den unterschiedlichen Gewerken im Studienalltag förderlich sein?

Wie schon zuvor erwähnt wollen wir den Studierenden die Möglichkeit bieten, sich zu einer "Individuellen Gestalterpersönlichkeit" zu entwickeln. Nicht nur wie ein Artefakt entworfen wird, sondern auch die eigene Positionierung zum Thema „Design im Handwerk“. Die Stärken werden gefiltert und der persönliche Umgang mit gestalterischen Hürden geschult. Ergo können sich angehende Craft Designer, nebst den genannten Designkompetenzen, gezielt in unterschiedliche Designfelder spezifizieren. Die Förderung der einzelnen Studierenden in ihren Kompetenzen ist uns als Hochschule ein wichtiges Anliegen.  

Die Zusammenkunft unterschiedlicher Gewerke ermöglicht einen regen Austausch im Unterricht. Das Wissen über Materialität und Arbeitstechniken sowie der theoretische Austausch unter den Studierenden, ist eine Quelle für Ideen und die persönliche Weiterentwicklung. Somit entfalten sich gewerksübergreifende Projekte und es entspringt eine ganz eigene "Craft-Design-Bewegung".

Welche Möglichkeiten stehen den Absolventen offen?

Nach dem erfolgreich abgeschlossenen trialen Studium können unterschiedlichste Positionen an den Schnittpunkten von Design und Handwerk ausgeführt werden. Durch die selbständige Positionierung im gestalterischen Kontext, bieten wir als Hochschule in Kooperation mit der Handwerkskammer Hannover den Studierenden die Möglichkeit, sich mit dem Thema Selbstständigkeit auseinanderzusetzen. Ein eigenes Unternehmen ist aber nur eine Option nach dem Studium. Der weitere Werdegang kann ebenso durch eine Anstellung in einem Handwerksunternehmen, in einer Designagentur oder in einem Architekturbüro geebnet werden. Auch hier bringen die Absolventen einen geeigneten "Werkzeugkasten" an gestalterischen, handwerklichen und organisatorischen Kompetenzen mit. Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind daher vielfältig.

Können sich auch Interessierte ohne (Fach-)Abitur oder mit bereits abgeschlossener Ausbildung oder Meistertitel für das Studium einschreiben?

Michaelis: Auch ohne (Fach-)Abitur können sich Interessierte einschreiben. Um das zu ermöglichen, muss eine künstlerische Begabtenprüfung einmalig absolviert werden. Hier werden der Umgang und die Lösungskompetenz anhand einer gestalterischen Aufgabe inklusive Gespräch überprüft. Nach erfolgreicher Prüfung kann auch ohne die eigentliche Zulassungsvoraussetzung der (Fach-)Hochschulreife das Studium begonnen werden.

Bereits fertige Gesellen oder Meister können sich ebenfalls für das Studium einschreiben und sind herzlich willkommen.

Können bereits absolvierte Abschlüsse angerechnet und das Studium dadurch verkürzt werden?

Michaelis: In den vergangenen Monaten kamen viele Anfragen von bereits ausgebildeten Handwerkern. Daher ist unsere Zielgruppe auch bei fertigen Gesellen und Meistern verortet. Der Studienverlauf und die Zeitspanne können sich anhand fertiger Abschlüsse verändern und verkürzen. Das sind individuelle Fälle, die im Prüfungsamt begutachtet und entschieden werden. Bei handwerklichen Abschlüssen sowie dem fertigen Meister, wird auch die Handwerkskammer Hannover bei der Einschätzung und Entscheidung involviert.